Chronik

1920 – 2020

 

Das erste Vierteljahrhundert

Unruhige Jahre – Die Vorläufer-Vereine des MZB – Gründung des Magischen Zirkels in Berlin

Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden weltweit Zaubervereine. Der erste in Deutschland, 1899 von dem Hamburger Zauberapparatehändler Willmann gegründete Zauberverein, hatte keinen Bestand. Aber auch die am 10. März 1901 in Berlin gegründete „Amateur-Vereinigung für magische Kunst“ bestand nur vier Jahre. Ab 1904 gab die AV keine Zeitschrift, die „Monatlichen Mitteilungen“ heraus. Nach 13 Ausgaben wurde der „Zauberspiegel“ als Vereinsorgan gewählt. Streitigkeiten der Mitglieder untereinander, aber auch Intrigen des Zauberapparatehändlers F.W. Conrad Horster führten 1905 zur Auflösung. Wenige Tage später wurde von Horster der „Club Maja“ gegründet.

Während des ersten Weltkriegs trafen sich die Zauberer in einer Tafelrunde. Es waren zum Teil immer wieder dieselben Personen, die eintraten, austraten, den Vereinsvorsitz annahmen und ablehnten. Einige von ihnen wie Paul von Kalnassy, Paul Scheldon, Conradi Horster, Eugen Schröder, Reinhard Rohnstein spielten auch in den kommenden Jahrzehnten wichtige Rollen im zauberischen Vereinsleben von Berlin.

Horster übte in all den Jahren von 1902 bis 1924 in fast allen Berliner Zaubervereineneinen mal konstruktiven und mal destruktiven Einfluss aus. Eugen Schröder-Fara, ein wohlhabender Schreibwarenhändler, prägte den MZ einige Jahrzehnte. Er hatte in seiner Wohnung ein Zaubertheater eingerichtet, in das er zu öffentlichen Vorstellungen einlud. Für den in Spandau praktizierenden Arzt Reinhard Rohnstein war die Zauberkunst Lebenselixier. Er erfand und entwickelte viele neue Kunststücke und Prinzipien, die er in handgeschriebenen Bänden festhielt. Neben Beruf und aktivem Hobby fand er auch Zeit, magische Freundschaften in aller Welt aufzubauen und dem Vereinsleben Impulse zu geben.

Bereits 1912 wurde in Hamburg mit tatkräftiger Unterstützung des Berliner Händlers Horster der Magische Zirkel gegründet. Aber erst nach dem Weltkrieg entstand am 16. Januar 1920 in Berlin die erste Ortsgruppe des Magischen Zirkels. Hamburg im Lokal Albrecht am Belle-Alliance-Platz (heute Mehringplatz). Ihr Gründungspräsident Reinhard Rohnstein hatte intensive Kontakte zu Karl Schröder in Hamburg aufgebaut und ergriff die Initiative. Zum ersten Vorsitzenden wurde Altani gewählt, dem bald Eugen Schröder-Fara folgte. Die Gruppe entfaltete von Anfang an ein sehr aktives Vereinsleben nach innen und außen. Regelmäßig wurden öffentliche Zaubervorstellungen im renommierten Künstlerhaus in der Bellevuestraße gegeben.

Schreiber-Ära und Nazi-Zeit

Aufstieg und Fall eines Vereins

1925 mit dem Umzug von Helmut Schreiber, dem späteren Kalanag, von München nach Berlin stabilisierte sich auch der MZ Berlin wieder. Das Vereinsleben bekam Aufwind. Der weltgewandte Filmproduzent aus München brachte Glamour und internationale Erfahrung mit. Er schuf viele Kontakte in die Berliner Gesellschaft und organisierte erste internationale Zauberkongresse in Berlin. Seine engen Mitstreiter wurden Geo Mylius und später Bruno Haydas. Mylius organisierte die 19. Hauptversammlung des deutschen MZ als ersten „Internationalen Magischen Kongress“. Das 25-jährige Jubiläum des deutschen MZ wurde 1937 in Berlin gefeiert. Aber bereits zu Beginn der Nazi-Ära dien-te Schreiber sich als Präsident des gesamtdeutschen Magischen Zirkels dem neuen Regime an. Der MZ profitierte von der Nähe zu den neuen Machthabern. Er konnte unter dem Dach der Reichstheaterkammer weiter als Verein bestehen bleiben. Es gab neue Auftrittsmöglichkeiten und gesellschaftliche Anerkennung. Die Truppenbetreuung während des Krieges hatte so manchen überleben lassen. Schmerzhaft war der durch Gesetzgebung erzwungene Ausschluss der jüdischen Mitglieder aus dem Magischen Zirkel. Stanley Jaks und Michel Seldow verließen Deutschland und haben die NS-Zeit überlebt. Günther Dammann wurde 1942 im KZ Riga ermordet. Der MZ Berlin hat für ihn 2010 zum 100. Geburtstag einen „Stolperstein“ verlegen lassen. Einen „Stolperstein“ widmet der MZ auch der Eigentümerfamilie des „Zauberkönig“ am alten Standort in der Friedrichstraße 54 (jetzt 55). Michel Seldow nahm 1973 die Ehrenmitgliedschaft des MZ Ban. Wir wissen bis heute nicht, wie ein Verein es verkraften kann, wenn bewährte und geschätzte Mitglieder von einem Tag zum anderen als „Untermenschen“ ausgestoßen werden.

Die Nachkriegszeit

Wiedergründung – Teilung

Am 8. Mai 1945 brachen alle Vereinsstrukturen zusammen, so auch die des MZ. Alle Vereine waren zunächst aufgelöst und konnten sich mit Genehmigung der alliierten und deutschen Behörden neukonstituieren. In Berlin versuchte zunächst Max Werner sich auf altem Briefpapier den neuen Autoritäten zur Verfügung zu stellen, wurde aber mit Hinweis auf eine noch zu erfolgende Überprüfung abgewiesen. Mehr Erfolg hatte der bekannte Berufszauberer Marvelli, der am 17. Dezember 1945 vom Registergericht zum Vorsitzenden des MZ bestellt wurde. Am 19. Januar 1946 wurde Geo Mylius zum neuen Vorsitzenden gewählt, ihm folgte 1950 Bruno Haydas.

Zunächst war die Bildung eines gesamtdeutschen MZ nicht möglich. Die Genehmigungen galten nur für die jeweiligen Besatzungszonen und die Viersektorenstadt Berlin. Die Neugründungen in der britischen und amerikanischen Zone schlossen sich nach einem kurzen Machtgerangel zusammen. Berlin blieb abseits. Da aber die alten Herren keine Jugendlichen aufnehmen wollten, bildete sich 1951 ein Ortszirkel des MZvD unter der Leitung von Horst Stein. Erst 1953 gelang es, beide Zirkel in Berlin mit einem paritätisch besetzten Vorstand zusammenzuführen.

Die wachsende politische Teilung der Stadt führte auch zu einer Teilung der Zauberszene. Bereits 1954 wurde in Ost-Berlin in der Artistik-Schule eine Arbeitsgemeinschaft Zauberkunst gegründet, die sich später dem MZ der DDR anschloss. Siegfried Nitsche führte den MZ Ost erfolgreich mit vielen Aktivitäten bis zum Ende der DDR. Während all der Zeit bestanden immer intensive Kontakte zwischen Ost und West. Nach dem Mauerbau waren die Grenzen nur noch für „Westler“ passierbar, aber auch für „Ost-Berufler“ mit einem Engagement im Westen. Spätestens nach dem Mauerbau 1961 teilt der MZ Berlin das abgeschlossene Insel-Schicksal der Stadt.

Auftrieb gab der Kongress 1970 zum 50-jährigen Jubiläum, der leider durch einen harten Streit mit dem Magischen Zirkel von Deutschland über den Status des MZ Berlin belastet wurde. Ein wichtiges Ereignis war die Schaffung eigener Clubräume. Damit fand die jahrzehntelange mühsame Suche nach immer neuen Tagungsorten ihren Abschluss. Das neue Zauberheim am Schöneberger Ufer wurde mit einer Zirkelsitzung am 9. November 1977 eröffnet, gefolgt von der öffentlichen Einweihung am 1. Mai 1978. Nach fast 40 Jahren musste sich der MZB 2015 neue Räume suchen, da er die steigende Miete nicht mehr tragen konnte, und fand sie in der Möckernstraße am Kreuzberg. Im Jahr 1971 begann die Schriftenreihe des MZB mit Neuerscheinungen und Reprints. Im Jahr 1979 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift „Zau Berlin“.

Die Jugendarbeit entwickelte sich zu einem Schwerpunkt. Anfängliche Bedenken älterer Mitglieder wurden durch Erfolge bei Weltmeisterschaften und anderen Veranstaltungen beseitigt. Die Betreuer in der Gründerzeit waren unter anderem Ralf Wichmann-Braco, Dieter Michel-Argola und Peter Schuster. Auch einige Mitglieder der „Ersten Stunde“ sind zu nennen: Axel Hecklau, Dirk Krause, Mirko Ferrantini, Marc Michel, Stefan Pinnow, Daniel Ulzen, Karsten Siewert, Eckart von Hirschhausen und die Zauderer. Aus der Arbeit der Jugendgruppe entwickelten sich die Deutschen Jugendmeisterschaften und der PRIX JUVENTA MAGICA.

Das neue Jahrtausend

Mauerfall, Neue Aktivitäten und Zukunft

Mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 öffneten sich neue Horizonte. Die Magischen Zirkel in den beiden Hälften der Stadt fusionierten. 1990 übernahm Dieter Michel-Argola das Amt des Vorsitzenden und führte Ost und West behutsam zusammen. Das Zirkelleben im Gesamten bekam neuen Auftrieb. Ihm folgten Lutz Hafke, Oliver Pfundt und Peter Welz. 2006 übernahmen Peter Schuster und Dieter Michel-Argola erneut die Führung. Der 90. Geburtstag des Magischen Zirkels Berlin konnte 2010 gefeiert werden und fand mit dem internationalen Kongress FANTASTA im September seinen Höhepunkt.

Der Magische Zirkel Berlin steht heute wieder auf einem guten Fundament. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht wie in der Vergangenheit die Förderung der Zauberkunst nach innen und außen. International bekannte Zauberkünstler zählten und zählen zu seinen Mitgliedern. Er verfügt über ein Clubheim mit einem Zimmertheater und einer Fachbibliothek. Seine Mitglieder finden einen Ort des Austauschs und der Fortbildung. Er bietet seine Veranstaltungen aber auch der interessierten Öffentlichkeit an. Er pflegt nationale und internationale Kontakte.

Trotz aller Erfolge muss die Diskussion um die Zukunft geführt werden. Gesellschaftliche und technologische Umbrüche werfen Fragen auf. Wie wirkt sich die Kommerzialisierung von Dienstleistungen aus, die in vergangenen Jahrzehnten von Vereinen getragen wurden? Wird die augenblickliche Vereinskrise auch die Zaubervereine erreichen? Wie entwickelt sich die Zauberkunst im Zeitalter des Internets? Wie kann die Zauberkunst stärker in einer wachsenden Kultur- und Freizeit-Gesellschaft verankert werden?

Der Autor dieser Chronik, Peter Schuster, ist leider im September 2018 in Berlin verstorben. Seit November 2018 wird der Verein durch Freddie Rutz, Christian Wegner und Felix Wohlfarth als Vorstandstrio geleitet.